Herausforderungen in der Pharmakotherapie

Wenn die Diagnose einer Epilepsie gestellt worden ist, sollte zeitnah die passende Pharmakotherapie initiiert werden. Bei der Auswahl des anfallssuppressiven Medikaments ist es wichtig, die individuelle Konstellation des bzw. der Betroffenen zu berücksichtigen, d.h. Alter, Geschlecht, Epilepsieart, Komorbiditäten und Komedikation.

Die Notwendigkeit eines Wechsels des Anfallssuppressivums gerade in der Anfangszeit der Behandlung ist keine Seltenheit, da nicht jede:r Patient:in auf jeden Wirkstoff zufriedenstellend hinsichtlich Wirksamkeit und Verträglichkeit anspricht. Das Management möglicher Unverträglichkeiten spielt in der Therapie der Epilepsie eine zentrale Rolle, da ein Großteil der zur Verfügung stehenden Anfallssuppressiva mit möglichen Nebenwirkungen verbunden ist, die die Lebensqualität der Betroffenen deutlich einschränken können.

Abbildung: Gesundheitsbezogene Lebensqualität bei Menschen mit Epilepsie

Bei 800 erwachsenen Menschen mit Epilepsie konnte gezeigt werden, dass die Lebensqualität (QOLIE-31) nur schwach mit der Anzahl der monatlich auftretenden Anfälle (A), aber signifikant mit dem Ausmaß von standardisiert erfragten Nebenwirkungen der Anfallssuppressiva (B) korreliert.

Referenz: Luoni et al. Determinants of health-related quality of life in pharmacoresistant epilepsy: Results from a large multicenter study of consecutively enrolled patients using validated quantitative assessments. Epilepsia 2011; 52: 2181–2191.

Kombinationstherapie

Bei der Ersteinstellung sollte eine anfallssuppressive Duotherapie vermieden werden, da sie der Monotherapie nicht sicher überlegen ist. Dennoch kann es im Therapieverlauf bei vielen Patient:innen notwendig werden, zwei Anfallssuppressiva parallel zu geben, um eine bestmögliche Anfallskontrolle zu erreichen. Bei einer Duotherapie kann der Einsatz von Anfallssuppressiva mit unterschiedlichen Wirkmechanismen erwogen werden. Manche Kombinationen sind besonders gut geeignet. Es gibt z. B. Hinweise auf eine synergistische Wirkung bei gleichzeitiger Gabe von Lamotrigin und Valproat. Die Herausforderung besteht darin, die für den Patienten bestmögliche Wirkstoffkombination zu finden, wenn zuvor in der Monotherapie keine Anfallsfreiheit erreicht werden konnte.

Aufgrund möglicher Interaktionen und etwaiger starker Nebenwirkungen sollte eine Polytherapie mit mehr als zwei Anfallssuppressiva vermieden werden. Wenn diese in Einzelfällen doch nötig ist, sollte die medikamentöse Einstellung in einer Schwerpunktpraxis/Spezialambulanz bzw. durch ein zertifiziertes Epilepsiezentrum erfolgen.

Therapieschema – Empfehlungen für die Praxis:

  • Immer initial mit einer Monotherapie beginnen.
  • Falls eine Duotherapie erwogen wird, auf Anfallssuppressiva mit unterschiedlichen Wirkmechanismen zurückgreifen.
  • Die Einstellung auf eine Polytherapie mit mehr als zwei Wirkstoffen sollte in zertifizierten Zentren erfolgen.

Detaillierte Informationen zu diesem Thema finden Sie in der Leitlinie in Kapitel 2.2.5.

Ältere Patient:innen

Darüber hinaus ist es wichtig, nach weiteren Erkrankungen zu fragen. Deren spezifische pharmakologische Behandlung kann zu Wechselwirkungen mit den Anfallssuppressiva führen. Gerade bei älteren Patient:innen stellen die Polypharmazie und somit mögliche Wechselwirkungen eine große Herausforderung dar. Ältere Patient:innen unterscheiden sich von jüngeren auch inDie pharmakologischen Parametern von Anfallssuppressiva, wie Bioverfügbarkeit, Halbwertszeit und therapeutische Breite und Halbwertszeit,. unterscheiden sich bei älteren und jüngeren Patienten.  Daher sollte bei Älteren die Aufdosierung der Anfallssuppressiva langsamer und mit einer niedrigeren Zieldosierung erfolgen.

Als Mittel der ersten Wahl wird bei älteren Patient:innen mit einer neu aufgetretenen fokalen Epilepsie Lamotrigin empfohlen, da es diese Substanz wenig Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten hat und gut verträglich ist. Wenn die Gabe von Lamotrigin nicht infrage kommt, sollten Gabapentin, Lacosamid oder Levetiracetam eingesetzt werden. Bei älteren Patient:innen sollen bei der initialen Therapieeinstellung Carbamazepin, Oxcarbazepin, Phenobarbital, Phenytoin, Primidon, Topiramat und Valproat nicht zum Einsatz kommen. Wenn bei älteren Patient:innen schon länger eine Epilepsie besteht, die über viele Jahre hinweg erfolgreich und ohne größere Nebenwirkungen mit einem der zuletzt genannten Anfallssuppressiva behandelt wurde, soll die Therapie jedoch – gegebenenfalls mit einer Dosisreduktion – beibehalten werden.

Ältere Patient:innen – Empfehlungen für die Praxis:

  • Langsamer aufdosieren, ggf. Dosisreduktion bei bestehender anfallssuppressiver Medikation.
  • Pharmakotherapie anderer Erkrankung bzgl. möglicher Wechselwirkungen im Blick haben.
  • Lamotrigin in Monotherapie als Mittel der ersten Wahl bei der Initialtherapie.

Detaillierte Informationen zu diesem Thema finden Sie in der Leitlinie in Kapitel 2.2.3.


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