Stellungnahme der DGfE, ÖGfE und Schweizerischen Epilepsie-Liga zur Differenzierten Darstellung der Epilepsie nach ILAE:
Vorschlag für eine differenzierte Darstellung der Epilepsien…
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Die DGfE geht davon aus, dass bei herzgesunden Patienten kein erhöhtes Risiko für klinisch relevante Herzrhythmusstörungen besteht.
Im Oktober 2020 hat die U.S. Food and Drug Administration (FDA) eine Warnung für den Einsatz von Lamotrigin veröffentlicht (1): Unter Bezug auf in vitro-Daten wird darauf hingewiesen, dass Lamotrigin in therapeutischen Konzentrationen antiarrhythmische Effekte der Klasse Ib nach Vaughan Williams zeigt. Basierend auf der Auswertung dieser Labordaten wird geschlussfolgert, dass Lamotrigin bei Patienten mit struktureller Herzerkrankung oder Myokardischämie zu einer QRS-Verlangsamung im Sinne einer ventrikulären Leitungsverzögerung führen kann. Die FDA warnt deshalb, dass das Risiko für einen plötzlichen Tod bei Patienten mit entsprechenden kardialen Vorerkrankungen oder mit kardialen Leitungsstörungen (II.- oder III.-gradiger AV-Block, ventrikulären Arrhythmien Brugada-Syndrom oder anderen Natrium-Kanalopathien) sollte die Gabe von Lamotrigin kritisch hinterfragt werden. Zudem wurde geschlussfolgert, dass eine Komedikation mit anderen Natrium-Kanal-Blockern das Risiko eines arrhythmogenen Effektes noch verstärken könnte. Die Einschätzung basiert auf einer im Jahr 2011 veröffentlichten Studie (2).
Als Deutsche Gesellschaft für Epileptologie (DGfE) nehmen wir zu dieser Warnung der FDA wie folgt Stellung: Die der FDA zu Grunde liegenden Überlegungen sind nicht neu und wurden bereits bei der Zulassung von Lamotrigin diskutiert. Lamotrigin gehört zur Gruppe der Natrium-Kanal-Blocker. Seit vielen Jahren wird vor Eindosierung von Antiepileptika mit diesem Wirkmechanismus die Durchführung eines EKGs zum Ausschluss eines höhergradigen kardialen Blockbildes (II.- oder III.-gradiger AV-Block) oder anderer kardialer Leitungsstörungen empfohlen. Es gibt momentan keine Daten aus klinischen Studien bzw. keine klinischen Beobachtungen, die zeigen, dass das kardiale Risiko bei Verabreichung von Lamotrigin erhöht ist. Es gibt keinen Vergleich von Lamotrigin mit anderen Natrium-Kanal- Blockern bezüglich der Effekte auf das EKG und klinisch kardiale Gefahren.
In einer 2008 publizierten Studie der Firma GSK an gesunden Probanden mittleren Alters führte die Gabe von 50-200 mg Lamotrigin als Einmalgabe oder täglich über mehrere Wochen nicht zu einer Verlängerung des QT-Intervalls (3). Die analoge, ebenfalls von der Firma durchgeführte Studien zur Beurteilung des Effektes auf das EKG nach Gabe von 400 mg Lamotrigin führte zu einer geringen Verlängerung des PR-Intervalls, welche ohne klinisches Korrelat blieb (4).
Zusammenfassend geht die DGfE davon aus, dass auf Basis der Datenlage der letzten Jahrzehnte auch unter hohen Dosen von Lamotrigin bei herzgesunden Patienten kein erhöhtes Risiko für klinisch relevante Herzrhythmusstörungen besteht. Bei Verabreichung hoher Dosen von Lamotrigin kann es zu einer milden Verlängerung des PR-Intervalls kommen, allerdings ohne das klinisch relevante Auftreten von QRS- Komplexveränderungen.
Vor Eindosieren von Natrium-Kanal-Blockern sollte gezielt nach kardiologischen Vorerkrankungen bzw. Vorkommen von Synkopen gefragt und so das kardiale Risikoprofil eingeschätzt werden. Vor Beginn einer Therapie mit Lamotrigin kann die Durchführung eines EKG erwogen werden. Bei positiver Anamnese kardialer Synkopen oder Herzrhythmusstörungen sollten eine diesbezüglich indizierte Diagnostik und Therapie (z. B. Herzschrittmacher bei AV-Block, implantierbarer Defibrillator bei Brugada-Syndrom) vor Beginn einer Therapie mit Lamotrigin durchgeführt werden. Eine gleichzeitige Therapie mit Natrium-Antagonisten (z. B. Antiarrhythmika der Klasse I nach Vaughan Williams) sollte vermieden werden.
Bedeutung der FDA-Warnung zu Lamotrigin (LTG) für Herzgesunde, Patienten mit struktureller Herzerkrankung und Patienten mit Synkopen / Herzrhythmusstörungen
Herzgesunde, keine Synkopen/Arrhythmien:
Keine Änderungen, EKG vor Therapiebeginn mit LTG sollte individuell erwogen werden
Strukturelle Herzerkrankungen (KHK, Myokardischaemie, Myokardinfarkt, Herzinsuffizienz, Klappenfehler, Kardiomyopathie, hypertensive Herzerkrankung):
Regelmäßige EKG-Kontrolle (z. B. nach Auftitrierung, alle 6 Monate und bei Auftreten von Synkopen unter Therapie)
Synkopen, bekannte Herzrhythmusstörungen: