Laudatio auf Prof. Dr. Hermann Doose zur Verleihung der Otfried Foerster-Medaille am 20. Mai 2004 - U Stephani / Kiel

Lieber Herr Doose, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren !

Die Deutsche Sektion der Internationalen Liga gegen Epilepsie, in Zukunft voraussichtlich Deut-sche Gesellschaft für Epileptologie genannt, freut sich, Ihnen, lieber Herr Doose , für Ihre Lebensleistungen auf dem Gebiet der Epileptologie, bes. der pädiatrischen Epileptologie, heute die Otfried Foerster - Medaille zu überreichen.

Zu Ihrer Vita: 1927wurden Sie in Lübeck geboren als Kind eines Arztehepaares. Sie machten am Kriegsende Notabitur am altsprachlichen Gymnasium Katharineum. 1945 und 1956 waren Sie Praktikant am Pathologischen Institut der Städt. Krankenanstalten Lübeck. Sie studierten Medi-zin in Kiel und Freiburg, in Freiburg erhielten Sie 1951 Ihre Approbation als Arzt. Ihre ebenfalls in Freiburg 1951 erstellte Doktorarbeit beschäftigte sich mit Kälteagglutininen. Nach Zwischenstationen in Lübeck, Bad Essen und Erlangen arbeiteten Sie von 1955 bis zu Ihrer Pensionierung 1992 in Kiel an der Universitätskinderklinik. Sie entdeckten früh Ihre Liebe zur pädiatrischen Epilep¬tologie und zum EEG noch zu Zeiten von Prof. Gasche. Sie wurden 1958 Leiter des Labors für Klinische Neurophysiologie, 1963 Facharzt für Kinderheilkunde. Ihre Habilitation 1963 beschäftigte sich mit dem Thema “Verlauf von petit mal Epilepsien im Kindesalter“. 1969 erfolgte die Ernennung zum Professor, der bekannte pädiatrisch-genetische Syndromologe Herr Prof. Wiedemann war damals Ihr Chef.
1972 bauten Sie das Norddeutsche Epilepsiezentrum für Kinder und Jugendliche in Raisdorf auf, das damals noch Kurklinik hieß, mit dem Gedanken, dass für die Behandlung dieser Patienten der auf Akutmedizin ausgerichtete Betrieb einer Universitätsklinik zu alltagsfremd ist. Die Diag-nose- und Therapiemöglichkeiten zur damaligen Zeit waren deutlich begrenzt im Vergleich zu heute. Wie dieses konservative Epilepsiezentrum die Fallpauschalen-Ära besteht, ist noch nicht klar. 1973 wurden Sie Direktor der neugegründeten Klinik / Abteilung für Neuropädiatrie. Bis zur Ihrer Pensionierung waren Sie ärztlich und wissenschaftlich verantwortlich für „Rais¬dorf“ und die Universitätsabteilung Neuropädiatrie.

Sie waren von 1970 – 1971 Präsident der Deutschen EEG-Gesellschaft, von 1975 – 1979 Vorsit-zender der Deutschen Epilepsie - Liga, haben zweimal die entspr. Jahrestagungen in Kiel ausge-richtet, 1975 – 1976 waren Sie außerdem Präsident der Gesellschaft für Neuropädiatrie. Sie waren Mitgründer des Königsteiner Arbeitskreises, den Sie als „spiritus rector“ mitgeleitet und in dem Sie maßgeblich die entspr. Empfehlungen mitgestaltet haben. Während Ihrer Dienstjahre und danach, in den 12 Jahren seit Ihrer Pensionierung, haben Sie sehr viel publiziert, sowohl Originalarbeiten als auch Monographien. Man findet in der Publikations-datenbank PubMed 122 Originalarbeiten von Ihnen, fast alle mit Ihnen als Erst- oder Letztautor. Ihre vielen Buchbeiträge sind in dieser Zahl nicht berücksichtigt, es ist noch mal ca. die gleich hohe Zahl.

Worum ging es Ihnen?

1. Eine der bemerkenswertesten Arbeiten war die in den sechziger Jahren von der DFG geför-derte Untersuchung zur Epidemiologie von EEG-Merkmalen bei gesunden Kindern und Jugendlichen. Dazu fuhren Sie und die Mitarbeiter mit einem Kleinbus, indem ein EEG-Gerät installiert war, in die Schulen und Kindergärten Schleswig-Holsteins und leiteten die EEGs der gesunden Kinder ab. So entstanden die deutschen Prävalenzzahlen zu Theta-Rhythmen, zur Photosensibilität, zu den fokalen „Rolandischen“ sharp waves und den spikes and waves in Ruhe und bei Hyperventilation. Aus diesen Arbeiten und aus den Familienun¬tersuchungen konnten Sie Angaben zur Genetik dieser EEG-Veränderungen machen. Aus den entspr. Untersuchungen bei Kindern und Jugendlichen mit Epilepsie leiteten Sie das Konzept ab, dass die Präsenz mehrerer dieser genetischen, mit Epilepsie-assoziierten EEG-Merkmale die Schwelle für Anfallsentstehung senkt. Detailliert befassten Sie sich mit der Photosensibilität im EEG und schlugen eine Graduierung der photoparoxysmalen Response (PPR) vor (heute Grad 1-4 nach Waltz benannt).
Besonders erwähnt sei hier Ihr in diesem Jahr bei John Libbey erschienenes Buch zu Jahr-zehnte-langen EEG-Verlaufsuntersuchungen von Kindern und Jugendlichen mit Epilepsie. Diese Sammlung, dieses Material ist einmalig.

2. Sie haben sich mit der Epilepsiesyndromologie auseinandergesetzt: Themen dabei waren
• nach Pockenschutzimpfungen aufgetretene, also iatrogen mitbedingte Epilepsien
• Benigne fokale Epilepsien und ihre Varianten; hierbei sei besonders die Vision der hereditä¬ren Hirn-Maturationsstörung genannt, die Sie wesentlich an dem genetischen, gut strukturierten sharp slow wave (dem „Rolando-Fokus“) festmachten; hierbei sei auch das Pseudo-Lennox-Syndrom genannt, das zeitgleich mit Aicardi´s Beschreibung der atypi-schen benignen Partialepilepsie publiziert wurde.
• Die myoklonisch-astatische Epilepsie, die manche – nicht Sie – Doose Syndrom nennen.
• Die frühkindliche Grand mal Epilepsie; treffender als Charlotte Dravet mit dem Namen „severe myoclonic epilepsy of infancy (SMEI)“ und jetzt „Dravet-Syndrom“ haben Sie dieses Krankheitsbild „severe idiopathic generalised epilepsy of infancy with GTCS“ bezeichnet. Die Myoklonien sind im allgemeinen das geringste Problem dabei.
• Fieberkrämpfe, Absencen, genetische Beratung von Familien mit Epilepsie und anderes sind weitere Themen Ihrer Publikationen.

3. Sie bewahrten die antiepileptischen Substanzen Sultiam und Brom vor dem Vergessen und beschrieben deren Wirksamkeit bei speziellen Epilepsiesyndromen.

Sie waren für viele Ärztinnen und Ärzte, auch leitende, in unserer Republik ein wichtiger, ein unmittelbarer akademischer Lehrer, zu nennen sind u.a. die Namen Christen, Diete¬rich, Ernst, Finke, Frank, Gehrken, Groß-Selbeck, Knapp, Oldigs, Schultz, Spohr, Tuxhorn, Walter. Die Förderung der Herren Waltz und Neubauer geht auf unser beider Konto. Auf zahlreichen Veranstaltungen haben Sie interessierte Kolleginnen und Kollegen fortgebildet.

Welche Vergleiche gibt es ? Unter anderem fallen mir die Namen Lennox, Gibbs, Gastaut, Dra-vet, Panayiotopoulos und Janz ein: Jede dieser Persönlichkeiten hat mit einer besonders intensi-ven Hingabe die Sache der Epileptologie entscheidend vorangebracht. Ein Kennzeichnen für diese Persönlichkeiten ist, dass Sie nicht nur sehr fleißig und originell geforscht und publiziert haben, dass sie auf der Basis genauer Beobachtung ihrer Patienten exzellente Kliniker und Neu-rophysiologen waren, sondern dass Sie auch eigene Konzeptionen, eigene Epilepsieklassifikati-onssysteme, eigen Epilepsie-Weltsysteme schufen. Dabei – das sei an dieser Stelle nicht ver-schwiegen – waren sie miteinander im Allgemeinen nicht befreundet, übten vielmehr erhebliche Kritik aneinander. Das gilt auch für die Beschlüsse, die die Liga Kompromiss-haft fasste, worin sich aber die jeweiligen Konzeptionen nicht genau genug abbilden konnten. In dieser Welt-Liga großer Epileptologen spielen Sie mit. Entsprechend sind Sie bereits geehrt worden: Preis der Stiftung Michael, Ehrenmitglied der italienischen Epilepsieliga, Ambassador der ILAE, Hans Berger Preis. Sie haben auch die Annahme von Preisen verweigert. Nun also die Otfried Förster Medaille.

Die Deutsche Epilepsie-Liga dankt Ihnen. Es mischt sich in die Freude über diese Auszeichnung auch Stolz, dass Sie Mitglied und Ehrenmitglied der deutschen Epilepsie-Liga sind. Wir gratulieren.

Mit freundlicher Genehmigung von U. Stephani
 

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